Ein Gespräch mit Damián Szifrón
Jeder kennt das Gefühl, das Sie in Ihrem Film beschreiben. Jeder befindet sich mal an einem Punkt, an dem man in die Luft gehen will.
Warum wollten Sie einen Film genau darüber machen?
Genau kann ich das nicht beantworten. Im Kern steckt wohl die Tatsache, dass ich Probleme mit Autorität habe. Ich hege eine Abscheu
dagegen, wenn man mir vorschreiben will, was ich zu tun habe. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum ich Autor und Filmemacher
geworden bin. Natürlich ist man auch im Filmgeschäft enormen Zwängen ausgesetzt, aber ich bin mein eigener Herr, ich treffe meine
Entscheidungen und ich kann, wenn es sein muss, auch Nein sagen. Das versetzt mich auch in die Lage, mich mit Themen
auseinanderzusetzen, die mich interessieren. Wenn mir etwas stinkt, kann ich es in Geschichten verarbeiten. Das ist ein
ausgezeichnetes Ventil. Otto Normalverbraucher hat ein solches Ventil nicht. Er muss es hinnehmen, wenn er zum Spielball von
Kräften wird, die er nicht kontrollieren kann. Wir leben in einer Gesellschaft, die es uns nicht erlaubt, einfach nur wir selbst zu sein. In
diesem Film kann ich all die Dinge sammeln, die mich wütend, zornig und hilflos machen. Dazu kommen noch andere Geschichten wie
die Hochzeit. Hochzeiten machen mich natürlich nicht wütend. Aber ich empfinde sie oft als beengende Angelegenheiten. Man ist in
einen Smoking mit Fliege gezwängt, den man sonst nie im Leben anziehen würde, es wird erwartet, dass man gut gelaunt ist. Und man
steht da und wird Zeuge von etwas, das sich nicht echt anfühlt. Mir war immer bewusst, dass diese Episode am Ende des Films stehen
musste. Sie hat am meisten Gewicht.
War die Produktion die erhoffte befreiende Erfahrung?
Ich hatte zumindest nie das Bedürfnis zu explodieren. Die Wut und der Zorn konzentrierten sich ausschließlich auf das, was man auf der
Leinwand sieht. Der Dreh war sehr angenehm, Balsam für meine Seele, genau das, was ich gebraucht habe. Ich hatte zwei Jahre vergeblich
versucht, einen Science-Fiction-Film auf die Beine zu stellen. In dieser Zeit hatte ich ganz viele Ideen für andere Geschichten, die sich mir
regelrecht aufdrängten. Ich habe sie in eine Reihe von Kurzgeschichten umgesetzt und hatte auf einmal einen neuen Film. Kann sein, dass
mir diese Geschichten so gut gelungen sind, weil ich sie ganz frei und ohne weitere Absichten zu Papier gebracht habe. Es war eine gute
Übung, weil man auch sehr diszipliniert sein muss, wenn man Kurzgeschichten schreibt. Sie dürfen kein Gramm Fett haben, sie müssen
auf ihre Essenz reduziert sein. Das hat mir auch bei der filmischen Umsetzung geholfen. Die Produzenten waren gleich begeistert, als ich
ihnen die Idee vorstellte. Sie sagten, ich würde einen ganz modernen Film machen. Dabei sind die Geschichten an sich eigentlich ganz
klassisch. Die Kombination macht es aus, daraus ergibt sich ein Film, wie man ihn nicht so oft sieht.